
Intelligente Systeme zur nachhaltigen Reduzierung von Nitrat im Grundwasser
Intelligente Systeme zur nachhaltigen Reduzierung von Nitrat im Grundwasser
Im Projekt NiMo 4.0 wurde ein System entwickelt, welches KI- Verfahren mit Methoden der Umweltinformatik und speziell der Wasserdomäne kombiniert. Um verschiedene Datenquellen und KI-Verfahren auch im operativen Betrieb effektiv nutzen zu können, wurden neue Entwicklungen der intelligenten Sensordatenübertragung und -verarbeitung auf Basis des neuen offenen Standards Sensor-ThingsAPI des Open Geospatial Consortiums (OGC) praxistauglich gemacht und in verschiedenen Demonstratoren von Endanwenderplattformen eingesetzt.
Übergeordnetes Ziel des Projekts war eine verbesserte räumliche und zeitliche Vorhersage von Nitrat im Grundwasser und darauf aufbauende intelligente Entscheidungsunterstützungssysteme, welche bspw. durch Szenarienrechnungen zur Optimierung von Grundwasserschutzprogrammen und damit zur effizienten und nachhaltigen Nitrat-Reduzierung beitragen. Die betrachteten Lösungsansätze und Methoden wurden entwickelt, demonstriert und validiert anhand realer Daten aus zwei wasserwirtschaftlich bedeutenden Pilotregionen, mit hinlänglich großer hydrogeologischer Variabilität, um hieraus Aussagen zur Allgemeingültigkeit und Übertragbarkeit der entwickelten Lösungen treffen zu können. Darüber hinaus ermöglicht die räumliche Vorhersage in Verbindung mit modernen Methoden der Geostatistik und der Operations-Research auch Empfehlungen zur Messnetzoptimierung.
Die Verteilung von Nitrat im Grundwasser ist ein faszinierendes und komplexes Phänomen, das von einer Vielzahl von Einflussfaktoren geprägt wird. Es entsteht durch das komplexe Zusammenspiel von Landnutzung, meteorologischen Bedingungen, chemisch-physikalischen Eigenschaften der Bodenschichten und den Transport- und Reaktionsprozessen im Grundwasser selbst. Diese Vielfalt an Faktoren führt zu einem hochkomplexen und dynamischen Muster der Nitratverteilung im Grundwasser, das regional und vertikal stark variieren kann.
Die Herausforderung, dieses komplexe System zu verstehen und zu modellieren, ist enorm. Bisherige analytische und numerische Modelle stoßen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, die räumliche und zeitliche Variabilität des Nitratgehalts im Grundwasser präzise abzubilden. Hier kommen KI-Anwendungen, insbesondere Machine Learning und Deep Learning Verfahren, ins Spiel. Diese innovativen Technologien haben das Potenzial, komplexe Muster und Zusammenhänge aus großen Datenmengen zu extrahieren und zu interpretieren.
Durch den Einsatz von KI können wir tiefer in die Struktur und Dynamik der Nitratverteilung im Grundwasser eintauchen und neue Erkenntnisse gewinnen. Diese datenbasierten Modelle ermöglichen es uns, bisher verborgene Zusammenhänge zu erkennen und präzise Vorhersagen über die Ausbreitung von Nitrat im Grundwasser zu treffen. Mit Hilfe von KI können wir die Komplexität dieses hydro-geochemischen Systems besser verstehen und somit auch effektivere Maßnahmen zur Reduzierung der Nitratbelastung entwickeln.
Aufgabe des Fraunhofer IOSB war die Spezifikation der Systemarchitektur auf Basis offener Standards gemeinsam mit dem Projektkoordinator – der Firma disy – und die Umsetzung dieser für ein intelligentes Datenmanagement. Hierfür wurde die Open Source-Implementierung FROST® der SensorThings API der OGC eingesetzt und durch das Fraunhofer IOSB weiterentwickelt. In NiMo 4.0 wurde zunächst ein FROST-Server® mit Nitratdaten der Pilotregionen in Baden-Württemberg und Niedersachsen aufgesetzt. Die Daten standen damit direkt nutzbar für die Entwicklung, das Training und die Ausführung der verschiedenen in NiMo 4.0 zu erforschenden ML-Algorithmen durch die weiteren Partner AGW, TZW und die Abteilung UWR des IOSB-AST direkt über die STA-Schnittstelle zur Verfügung. Da die ML-Methoden in NiMo 4.0 in Python implementiert wurden, wurde für den FROST-Server® eine neue Client-Bibliothek der Python-Client entwickelt, welche nun ebenfalls Open Source zur Verfügung steht. Im Verlauf des Projektes haben weitere Landesumweltämter Interesse an den Entwicklungen gezeigt und ihrerseits Daten zur Verfügung gestellt. Damit konnte ein Datenserver mit einem länderübergreifenden Datenschatz von über 6 Millionen Nitratmesswerten und mit Nitrat in Beziehung stehenden chemischer Parametern wie Grundwasserstand, Leitfähigkeit, Temperatur, pH-Wert, Sauerstoff und Trübung aufgebaut werden. Im Rahmen von NiMo 4.0 wurde dabei auch die Echtzeitanbindung von Datenloggern für Nitratmesswerte und die kontinuierliche Integration der Daten in den FROST-Server® erfolgreich getestet.
Neben den Funktionen für den Datenzugriff bietet die SensorThingsAPI eine “Tasking”-Erweiterung an, mit welcher die Ausführung von Tasks (Aufgaben) über die Standardschnittstelle des STA möglich ist. Diese Schnittstelle wurde in NiMo 4.0 erstmalig für die Ausführung von ML-Methoden getestet. Hierfür wurde die Implementierung PERMA weiterentwickelt, mit welcher es möglich ist, die ML-Modelle in einem Docker Container zu kapseln und über die STA zur Ausführung zu bringen.
Das Fraunhofer IOSB hat zwei weitere Aufgaben erfolgreich umgesetzt. Zum einen wurde die Verwendbarkeit von Convolutional Neural Networks zur Regionalisierung von Nitrat untersucht. Die Machine-Learning-Modelle wurden in Python programmiert und in einer Fallstudie in Baden-Württemberg getestet. Zum anderen wurden neue Methoden auf Basis von Deep Learning (DL) entwickelt und getestet, um Anomalien und Ereignisse in multivariaten raumzeitlichen Informationen aus Grundwasserdaten zu identifizieren. Eine Fallstudie wurde für Niedersachsen und Thüringen durchgeführt.
Das Projekt wrd finanziert durch: Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH